-Quércus cerris L. Zerr-Eiche -Quércus petraea (Matt.) Liebl. Trauben-Eiche
Mit der Eiche ist der Natur ein Wunder gelungen. Die prächtige äussere Erscheinung entspricht vollkommen dem Wesen dieses Baumes. Fest und tief verwurzelt, mit bulligem Stamm, dicken, geschwungenen Ästen und einer breit ausladenden Krone trotzt die Eiche locker Jahrhunderten. Allerlei Moosen zehren von ihrer Rinde. Mancherlei Schlingpflanzen ranken sich an ihr empor. Doch sie erträgt es gelassen und setzt während ihres langen Lebens viel hartes Holz an. Alte Eichen – sie werden über 500 Jahre alt und einzelne sogar das doppelte – mögen innen hohl oder gar faul, die eine Seite schon tot sein, die Eiche grünt munter fort. Fressen Raupen oder Maikäfer ihr im Frühling die Blätter weg, schlagen im Juni und Juli bereits neue aus! Der Fall ist klar, die Eiche ist nicht unter zu kriegen. Vor allem, keine Eiche gleicht der anderen, ob Siel-, Trauben-, Rot-, Fels-, Kork- oder Stieleiche, jede ergreift einmalige Möglichkeiten, um zu dem zu werden, was sie ist.
Halb Europa war von Eichen bewachsen, als im 8.Jahrhundert der Evangelist Bonifatius eine berühmte, heilige Eiche umhaute, um den Andersgläubigen zu beweisen, dass ihr Gott nichts wert sei, da er nicht einmal seinen Baum schützen könne. So wurde die Eiche vielerorts zum Baum des Teufels. Nur die “Hexen“, die sich in der Walpurgisnacht vor dem 1. Mai unter ihr versammelten, hielten ihr die Treue, schützten und verehrten sie, ungeachtet der Todesgefahr, in die sie sich dadurch begaben. Wenn es möglich war, wurden verhaftete Hexen im Feuer des Eichenholzes verbrannt.
Wer meint, solche Dinge gehörten der Vergangenheit an, täuscht sich. Man “verbrät“ auch heute noch Menschen, die eigene Wege gehen, um zu einem selbstständigen Urteil zu kommen. Nur tut man dies heute äusserst raffiniert. Vor allem Frauen könnten ein Lied davon singen. Vielleicht gibt es auch Männer, die, wie die Eichen nie einen dunklen Wald bilden, die nicht mit den Wölfen heulen.
Wo Eichen wachsen, gibt es immer viel Licht für alles, was unter und neben ihnen in ihrem Schutze wächst. Eichen erinnern sich sehr wohl an ihre Jugend. Da liebten und brauchten sie den Schutz und Schatten anderer Bäume. Man pflanzt sie beispielsweise gerne in der Nähe von Linden bis sie gross genug sind und oft fällt man dann die “Amme“. Das vergisst die Eiche nicht. Sie “weiss“, dass alles Grosse und Starke aus dem Kleinen und Schwachen hervorgeht.
Wohl deshalb flüstert sie nicht, wenn ein sanfter Wind durch ihr Laub streift. Sie heult auch nicht, wenn der Sturm ihre Zweige rüttelt. Sie braust vielmehr voller Lebensbejahung. Wer wünscht sie sich nicht zum Lebensbaum?
Eiche-Menschen verfügen über die gleiche, unverwüstliche Lebens- und Durchhaltekraft. Sie lieben frischen Wind bezüglich all ihren Lebensbereichen und an Widerständen entzündet sich ihre Lebenskraft.
Das Universum bleibt Gottes Sport und Spiel. Sie nehmen stets seine Einladung an und spielen frisch und fröhlich mit. Sie stecken eigentlich alle Niederlagen weg und ergreifen die erste, beste Gelegenheit, um sich in neuen Aufgaben zu bewähren.
Meist liegt ihr Vorgehen im Sinne des Bauernjungen, der mit dem Teufel einen Pakt geschlossen hatte. „Meine Seele kannst du holen, wenn die Eiche dort drüben keine Blätter mehr hat“, sagte er. Der Teufel war einverstanden, aber er wartete vergeblich. Denn die Eichen halten viele ihrer alten Blätter über den Winter fest, bis im Frühling die neuen ausschlagen. Machen Eichen-Menschen dies nicht auch so? Sie behalten mit Vorliebe alte Methoden, Klischees und Traditionen bei, bis Sie die neuen klar erkennen, vor allem in “winterlichen“ Zeiten.
Mit der Eiche verbanden die Kelten die Kraft, die in jedem Menschen schlummert, sie selbst zu sein. Viele wissen nicht mehr, was es bedeutet, sich selbst zu sein. Das Selbst wird heute meist mit dem Egoismus des Ich verwechselt und es herrscht die Meinung, kräftig sei der, welcher sich mit Macht rücksichtslos durchsetzt. Der kräftige Mensch, der auf dem Weg zu sich selbst schon weit gekommen ist, zeigt sich ganz anders:
Voller Hingabe dient er dem Mitmenschen, einer Sache, der Kunst. Er tut dies freiwillig, in Selbstverantwortung und mit Lebensfreude. Er schätzt sich hoch ein als lebendiges Instrument göttlicher Kräfte und verliert sich nicht an den menschlichen Verstand, der sich so furchtbar wichtig nimmt.
Wahrscheinlich gab es auch vor zweitausend Jahren verhältnismässig wenig Menschen, in welchen das Feuer der Eiche brannte. Sie ist auserkoren, uns daran zu erinnern, dass in uns ein Feuer entzündet wurde, das uns erlaubt, uns selbst zu finden. Wer will, kann versuchen es zu löschen und sich an das Urteil der Massen und der sogenannten Autoritäten zu verlieren. Doch der Funke ist stets da, unauslöschlich wartet er tief in unserem Innern auf die Nahrung, die wir ihm geben wollen. Ein Privileg des Lebens, wenn es schon lichterloh brennt. Owis Feuer brennt ewig. Ewig ist, was nicht dem Zeitenlauf verhaftet bleibt!